53. Internationaler Jahreskongress der DGZI Von Experten für Experten
Unter dem Motto „Implantologie 4.0 – Auf dem Weg zu patientenindividuellen Konzepten“ fand der 53. Internationale Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie e.V. (DGZI) am 8. und 9. November 2024 mit rund 300 Teilnehmern in Düsseldorf statt.
„Patientenindividuelle Konzepte – einerseits ein hochaktuelles Kongressthema, andererseits auch ein gewisses Eingeständnis“, so DGZI-Präsident Dr. Georg Bach in seinem Grußwort zur Kongresseröffnung.
Viele Jahre wurde es als selbstverständlich betrachtet, dass bewährte und evidenzbasierte implantologische Behandlungskonzepte für alle unsere Patientinnen und Patienten gleichermaßen gültig und anwendbar sind – und in der Regel war dieses Vorgehen auch von Erfolg gekrönt – besonders in der oralen Implantologie. Dennoch zeigen uns jüngere Untersuchungen, dass dies nicht immer der Fall ist – was bei der einen Person funktioniert, muss nicht zwangsläufig auch bei der anderen wirksam sein.
Daraus folgt: Es sind patientenindividuelle Konzepte gefragt! Diese Erkenntnis betrifft jedoch nicht nur die zahnärztliche Spezialdisziplin der oralen Implantologie, sondern erfordert eine umfassendere Betrachtung. Auf keinem Gebiet der Humanmedizin wird momentan derart aufwändig und intensiv geforscht wie auf dem der individualisierten Medizin. Sicherlich, die Fragestellungen sind hierbei sehr unterschiedlich und die damit verbundenen Ansprüche an unsere Therapieschemata ebenso. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, feuerten die DGZI-Kongressmacher ein kleines Feuerwerk ab:
Insgesamt trugen mehr als 30 Referenten an beiden Kongresstagen zu einem abwechslungsreichen Programm bei, das rund 300 Teilnehmende anzog. Der erste Kongresstag war geprägt von 60 Table Clinics und zwei Top-Tutorials, während der Samstag ganz im Zeichen der Wissenschaft stand. Renommierte Experten präsentierten herausragende wissenschaftliche Vorträge, ergänzt durch praxisorientierte Kurse für das zahnärztliche Personal. Eine umfassende Dentalausstellung, bei der sorgfältig ausgewählte Industriepartner ihre neuesten Innovationen vorstellten, rundete das Programm ab.
Keine Frage, sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf den Ablauf und die Kongressstruktur beschreitet die älteste europäische Fachgesellschaft auch im 54. Jahr ihres Bestehens Neuland, ohne dabei bewährte Elemente außer Acht zu lassen! Auch das „Coronaloch“ ist offensichtlich endgültig überwunden. „Wir freuen uns über deutlich gestiegene Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahr“, so DGZI-Vizepräsident und Schatzmeister Dr. Rolf Vollmer. Und Vorstandsmitglied Navid Salehi, 2. Beisitzer und Vertreter der jüngeren Implantologen, ergänzt: „Gerade der gesamte Freitag zielt klar auf die Bedürfnisse der jungen Kolleginnen und Kollegen ab!“
Zukunftspodium „Young Generation DGZI“
Ein erster Höhepunkt gleich zu Beginn des Kongresses: zwei Vorträge, die auf den ersten Blick gänzlich unterschiedliche Ausrichtungen verfolgten, aber bei genauerer Betrachtung ein klares Bild der Zukunftsperspektiven unseres Fachgebiets – und der Zahnheilkunde insgesamt – zeichneten. Auch deren Zielgruppe war eindeutig definiert: die junge Generation der Implantologen!
Und so war es nahezu zwingend, mit einem Randgebiet unserer Fachdisziplin den Reigen der Vorträge zu beginnen. Dr. Joel Nettey-Marbell sprach über „Dentale Sedierungstechniken – Lachgas, orale Sedativa und i.v. Sedierungen. Quo vadis?“
„Ich möchte Sie alle mitnehmen“, so Dr. Nettey-Marbell, der – um eine gemeinsame Wissensbasis zu schaffen – auf Grundlagen der oralen Sedierung einging. Er thematisierte die wesentlichen Unterschiede von Sedierungsoptionen in der Zahnheilkunde in Europa, orientierte sich an der jüngst verabschiedeten Leitlinie und wies auf die Bedeutung des Monitorings während der Sedierung hin. Als gängige Verfahren wertete der hamburger Oralchirurg die orale Sedierung, die Lachgassedierung und die i.v.-Sedierung. „Die orale Sedierung mit Tabletten ist ein nicht steuerbares Verfahren und daher nicht empfehlenswert“, erklärte Nettey-Marbell. „Nutzen Sie lieber die praktischen Methoden der Lachgas- oder i.v.-Sedierung – Verfahren mit kurzer Halbwertszeit und einer breiten therapeutischen Bandbreite!“ Eine wichtige Voraussetzung für den sicheren Einsatz dentaler Sedierungsverfahren sei eine fundierte Ausbildung, betonte der Referent und verwies auf die entsprechende ZMK-Empfehlung.
Wenn es zwei Referenten gab, die das Auditorium – ganz im neudeutschen Sprachgebrauch – „rockten“, dann waren es zweifellos Priv.-Doz. Dr. Dr. Achim von Bomhard und Prof. Dr. Dr. Andreas Fichter, die sich dem Thema „Knochenaugmentative Maßnahmen – Möglichkeiten und Limitationen“ widmeten. Prof. Fichter, der frisch ernannte ärztliche Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Leipzig, berichtete aus der klinischen Perspektive, während sein Kollege von Bomhard, Kieferchirurg mit Praxiserfahrung, die Sichtweise aus der Praxis einbrachte. Fichter legte dabei einen besonderen Fokus auf den Einsatz von Eigenknochen und dessen Spenderregionen, untermauert mit hervorragend dokumentierten Fallbeispielen.
Distraktor, Inlay-Plastik, Nervlateralisation, mikrovaskulärer Lappen, i.o.- und e.o.- Entnahmen – nichts ließ Fichtner unerwähnt und stellte die wesentlichen Vor- und Nachteile der jeweiligen Verfahren dar. Priv.-Doz. von Bomhard indes stellte Augmentationstechniken vor, die einen wesentlich weniger invasiven Ansatz hatten. Aber auch hier lag der Fokus klar auf Verwendung von Eigenknochen, weniger auf der Verwendung von Knochenersatzmaterialien. Die Grundlage seiner Ausführungen bildete die Defektdarstellung nach Terheyen. Bei ausgedehnten Vertikaldefekten bevorzugt von Bomhard die Khoury-Technik, die er ausführlich und in allen Details präsentierte.
In der anschließenden Podiumsdiskussion hatten die Kongressteilnehmenden die Gelegenheit mit den Referenten zu diskutieren. Hier brachte sich intensiv die „Young Generation DGZI“ um Muzafar M. Bajwa M.Sc., 3. Beisitzer DGZI, und Dr. Navid Salehi, 2. Beisitzer DGZI, ein. Die Tiefe der Diskussion und die Vielzahl an Fragen bestätigten, dass mit den drei Referenten genau die richtigen Experten für das Zukunftspodium gewählt wurden. Besonders erfreulich war die große Zahl jüngerer Kolleginnen und Kollegen im Auditorium, die die Podiumsdiskussion mit zahlreichen Fragen bereicherten. Im Anschluss ließen sich viele von ihnen mit den Referenten ablichten, um – wenig überraschend – sogleich die ersten Beiträge des Kongresses in den sozialen Medien zu teilen.
OP-Tutorials
Nun galt es, das Erlernte in die Praxis umzusetzen. Bereits eine kleine Tradition bei der DGZI stellt die Vertiefung bestimmter Themen anhand von OP-Tutorials dar. Dieses Format bietet den Teilnehmenden und DGZI-Mitgliedern die einmalige Gelegenheit, Einblicke in die praxisorientierte Arbeit renommierter Kollegen zu gewinnen und von deren Expertise zu profitieren.
Einen fulminanten Auftakt lieferte Prof. Dr. Benedikt Spies, der ein „Update zur digitalen Abformung“ präsentierte. Und es war in der Tat ein Update im wahrsten Sinne des Wortes, denn kaum ein Referent verfügt über ein vergleichbares Expertenwissen im Bereich der digitalen Wertschöpfungskette wie der Ärztliche Direktor der Abteilung für zahnärztliche Prothetik an der Freiburger Zahnklinik. Prof. Spies sieht das größte Zukunftspotenzial in den additiven Verfahren. Derzeit, so der Professor, erfordere die Situation eine doppelte Planung – einmal für die chirurgische und einmal für die prothetische Seite. Das Ziel müsse jedoch sein, die Insertion so präzise zu planen, dass auch der Zahnersatz nahtlos auf der bestehenden Planung aufbauen kann.
Nachdem der teilbezahnte Kiefer zu den gesicherten Indikationen gezählt werden kann, stellt der zahnlose Kiefer sich immer noch als große Herausforderung dar, „hier kämpfen wir digital noch“, so Prof. Spies. Als limitierende Faktoren erweisen sich u. a. fehlende Kommunikation zwischen Labor und Zahnarzt, Lizenzproblematiken, zahnlose Distanzen und unterschiedliche Programmiersprachen. Die Ausführungen des Freiburger Hochschullehrers wurden durch zahlreiche Fallbeispiele in teil- und unbezahnten Kiefern abgerundet. Hervorzuheben war die Herstellung eines Prototyps auf Basis der Daten des Intraoralscans, gefolgt von einem Reverse Scan – eine Methode, deren Ergebnisse in einer jüngst veröffentlichten Studie der Universität Freiburg gezeigt haben, dass sie alle bekannten Fehlerquellen deutlich minimiert.
Dann, mit Spannung erwartet, das Mainzer-Wiesbadener Referentenduo Prof. Dr. Dr. Eik Schiegnitz und Prof. Dr. Dr. Peer Kämmerer, die ihre Erfahrungen mit der Sofortimplantation und Sofortversorgung teilten. Sofort kehrte Stille im Vortragssaal ein, und man sah überall nur noch gespannte Gesichter – ein wahrhaft kraftvolles Duo. „Je kompromittierter der Patient, desto eher sollte auf Früh- oder Spätimplantation gesetzt werden. Je geringer hingegen die individuelle chirurgische Expertise, desto eher sollte von der Sofortimplantation abgesehen werden!“ – mit diesen klaren Aussagen eröffneten die beiden Kieferchirurgen und Hochschullehrer ihren Vortrag.
Zahlreiche klinische Tipps wurden vom Auditorium dankbar aufgenommen, wie etwa der Hinweis, dass bei der Ridge Preservation kein dichter postoperativer Verschluss erforderlich ist oder bei konischen Implantaten, wenn ein Drehmoment von mehr als 50 Nm festgestellt wird, ein kurzzeitiges Zurückdrehen und erneutes Eindrehen nach einer kurzen Wartezeit sinnvoll sein kann. Diese praxisorientierten Ratschläge, kombiniert mit beeindruckenden Fallbeispielen, verdeutlichten eindrucksvoll, dass Prof. Kämmerer und Prof. Schiegnitz den hohen Ansprüchen des Tutorials in vollem Umfang gerecht wurden.
Table Clinics
Für manche immer noch ein ungewohnter, aber zugleich sehr sympathischer Anblick: Statt der üblichen, auf die Bühne ausgerichteten parlamentarischen Bestuhlung wurden runde Tische im Stil einer Bankettbestuhlung aufgestellt. An diesen fanden in drei Staffeln Tischdemonstrationen zu unterschiedlichsten Spezialthemen der Implantologie statt. Jede ausstellende Firma verpflichtete Referenten, die die Demonstrationen durchführten. Besonders wertvoll erwiesen sich dabei die unmittelbar im Anschluss stattfindenden Diskussionen und der intensive Austausch, die für die Teilnehmenden viele neue Erkenntnisse brachten. Dieses moderne Format stieß erneut auf große Akzeptanz – sowohl bei den Kongressteilnehmenden als auch bei den Dentalausstellern.
Der zweite Kongresstag – der „Wissenschaftstag“
Nachdem der erste Kongresstag stark praktisch ausgerichtet war, standen am zweiten Kongresstag speziell die wissenschaftlichen Aspekte im Mittelpunkt. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme zu aktuellen Trends, ging es auch hier verstärkt um die Frage: Wie wird die Implantologie der Zukunft aussehen?
Das Samstagsprogramm des 53. Internationalen Jahreskongresses der DGZI bot einen umfassenden Überblick über alle relevanten Bereiche der oralen Implantologie, darunter digitale Implantologie, Prothetik, Knochen- und Gewebemanagement sowie Materialien und Design. Die Kongressorganisatoren setzten dabei erneut ihren Fokus darauf, nicht vergangene Fallbeispiele oder einzelne Studien zu präsentieren, sondern die zukünftigen Entwicklungen und Visionen des Fachgebiets aufzuzeigen. Drei thematische Blöcke fesselten das Auditorium und boten spannende Einblicke in die kommenden Trends und Herausforderungen der Implantologie.
Session 1: Knochen und Hartgewebe – Versorgungskonzepte
Mit Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz steuerte einer der einflussreichsten deutschen Implantologen und Wissenschaftler den ersten Beitrag zum wissenschaftlichen Programm bei. Er widmete seinen Vortrag einem hochaktuellen Thema: „Vitamin D: Klinische Relevanz von der Implantatprognose bis zur Krebsvorsorge“. In seiner Ausführung hob er hervor, dass in der Medizin vor allem das physiologisch aktive Vitamin D3 von Bedeutung ist. Besonders hochbetagte Patienten, Säuglinge, Kranke und Personen mit geringer Tageslichtexposition sind oft von einem Mangel betroffen, was weitreichende Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben kann. In der Literatur finden sich Hinweise darauf, dass ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel zum Zeitpunkt der Implantation positive Auswirkungen auf die Osseointegration hat. Er fördert eine höhere Primärstabilität und kann sich somit auch günstig auf die Langzeitprognose auswirken. Diese Erkenntnisse lassen sich ebenfalls auf das Ergebnis von Augmentationen übertragen.
Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel scheint das Risiko für die Entstehung zahlreicher tumoröser Erkrankungen zu begünstigen. Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse ergab, dass eine Supplementierung mit Vitamin D mit einer signifikant niedrigeren Sterblichkeitsrate und einer verringerten Krebserkrankungsrate in Verbindung steht. Prof. Grötz empfiehlt daher eine tägliche Supplementierung von 500–800 IE durch orale Einnahme von Kapseln. Aufgrund der Gefahr einer Hypervitaminose rät er jedoch zu einer vorherigen Serumbestimmung und regelmäßigem Monitoring. Bei unerklärlichen Frühverlusten von Implantaten empfiehlt der Wiesbadener Kieferchirurg, einen möglichen Vitamin-D-Mangel abzuklären.
Vom Bodensee reiste Prof. Dr. Dr. Andres Stricker nach Düsseldorf um über das Thema „Augmentationskonzepte auf Lebenszeit – Welche Faktoren sind entscheidend?“ zu sprechen. Der Konstanzer Kieferchirurg, der zugleich an der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Freiburg tätig ist, machte zu Beginn klar: „Wenn wir einen so anspruchsvollen und für den Patienten belastenden Eingriff wie eine Augmentation durchführen, dann muss unser Anspruch sein, dass das Augmentat ein Leben lang stabil bleibt!“ In seinen Ausführungen betonte Stricker, dass Knochenersatzmaterialien diesem Anspruch bislang nicht gerecht werden können. Der Goldstandard in der Augmentation bleibe nach wie vor der autologe Knochen. Modifikationen wie das Bone-Split-Verfahren haben zwar ihre Herausforderungen, haben sich aber in vielen Fällen als vorteilhaft erwiesen – insbesondere bei Fällen mit einer Restknochenhöhe von 3–4 mm. Besonders die Stabilisierung der bukkalen Lamelle hat sich hier als vorteilhaft herausgestellt. Zahlreiche Fallbeispiele belegten die Wirksamkeit dieses von Stricker klar favorisierten Verfahrens.
Eine Spaltfüllung ist bei der Split-Technik nicht erforderlich, auf ein Abklappen des Periosts ist hier indes unbedingt zu verzichten und eine laterale Stabilisierung ist eine Conditio sine qua non. Bei sehr großen Defekten, so Stricker, habe sich der Knochenblock nach wie vor als unverzichtbar erwiesen. Auch wenn sich die Schalentechnik in der Praxis bewährt habe, bevorzuge er persönlich nach wie vor den klassischen Knochenblock. Bemerkenswert indes ist hier der Volumenverlust in der dreidimensionalen Betrachtung – bereits nach sechs Monaten ist ein Verlust von über vierzig Prozent zu verzeichnen. Daher sei eine Stabilisierung unerlässlich. Auch hier empfahl Stricker eine laterale Stabilisation, ein Relining mit Knochenersatzmaterial sowie die Verwendung einer Membran. Mit dieser Vorgehensweise könne die Resorption des Transplantats um zwei Drittel gesenkt werden.
Wenn es um Fragen zu Knochen, Implantaten und speziellen Augmentationstechniken geht, gibt es kaum einen besseren Referenten als Dr. Joseph Choukroun. Der in Nizza beheimatete Experte ergriff das Mikrofon und präsentierte seinen Vortrag mit dem Titel „Enhanced Osseointegration by Osteoimmunology and Sticky Bone Protocols: Clinical Benefits“. Dr. Choukroun knüpfte direkt an die Ausführungen seiner beiden Vorredner an und stellte die individuelle Immunantwort in direkten Zusammenhang mit dem langfristigen Implantationserfolg. Dabei führte er den Begriff des „Osteo-Immunsystems“ ein.
Er erläuterte, dass die postoperative Entzündungsphase möglichst auf fünf Tage begrenzt sein sollte, um den Heilungsprozess nicht zu beeinträchtigen. Verliert die Entzündung jedoch länger an Dauer, sei mit ungünstigen Heilungsverläufen zu rechnen. In diesem Zusammenhang hob er die Bedeutung von Antioxidantien hervor, die eine entscheidende Rolle bei der Heilung spielen. Besonders wichtig sei hier Vitamin D, das Dr. Choukroun als „Top-Antioxidans“ bezeichnete. Im Gegensatz zu Prof. Grötz empfiehlt er eine systematische Supplementierung von Vitamin D, die er als Conditio sine qua non für den Erfolg einer späteren Implantation ansieht. Ohne einen Serumspiegel zwischen 4.000 und 10.000 IE führe er keine Implantatbehandlung durch. Ferner favorisiert er die lokale Applikation von Antibiotikapulver (Azithromycin) in das Augmentat als antiinflammatorische Hilfsmaßnahme. Ein gewisses Erstaunen des Auditoriums manifestierte sich, als Choukroun weiterhin ausführte, dass er keine Unterschiede in der Immunantwort zwischen der Verwendung von autologem Knochen und porcinem Knochenersatzmaterial feststellt und dies auch angesichts der Tatsache, dass er den meisten Knochenersatzmaterialien keine hohen Reinheitsgrade zuweist. Xenogene Materialien, so betonte er, sollten seiner Ansicht nach jedoch unbedingt vermieden werden.
Den Abschluss dieser ersten, äußerst spannenden und erkenntnisreichen Morgensession bildete eine lebhafte Podiumsdiskussion, in der die gewonnenen Erkenntnisse weiter vertieft wurden.
Session 2: Prothetische Konzepte zwischen High-End und Troubleshooting
Die zweite Session beleuchtete das implantologische Spannungsfeld zwischen „High-Tech oder eher einfach gestrickt?“ sowie der Frage „Was tun, wenns brennt?“. Drei Vorträge mit stark unterschiedlichem Fokus ergänzten sich auf ideale Weise.
„Implantatprothetische Konzepte für die Versorgung älterer Patienten“ war das Thema von Prof. Dr. Samir Abou-Ayash. Der frischgebackene ärztliche Direktor der Abteilung für zahnärztliche Prothetik in Mainz erläuterte, dass das Durchschnittsalter der Implantat-Nachsorgepatienten bei über 65 Jahren liege. Mit zunehmendem Lebensalter nehme einerseits die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen ab, gleichzeitig jedoch steige der Therapiebedarf – das sogenannte geriatrische Paradoxon. Eine häufige Folge dieser Entwicklung sei eine Proteinmangelernährung. In diesem Zusammenhang betonte Prof. Abou-Ayash, dass Implantate auch im höheren Alter gut funktionieren können. Dabei gehe es jedoch nicht nur um das reine Implantatüberleben, sondern vor allem um das Funktionieren der Suprakonstruktion. „Und hier sind einfache Konzepte vonnöten“, so der Experte. Erfolgreiche Ansätze beinhalten einfache chirurgische Verfahren, eine strategische Pfeilervermehrung – auch mit kurzen und durchmesserreduzierten Implantaten – sowie den Erhalt eines reduzierten Restzahnbestands, um die eingeschränkte Neuroplastizität zu berücksichtigen. Die digitale Zahntechnik ermöglicht hier ein Set-up, das je nach Fähigkeit des Patienten zur Pflege des Zahnersatzes auch von einstmals festsitzend auf abnehmbar gewechselt werden kann. Den Abschluss seines Vortrags bildete eine aktuelle Studie zu Miniimplantaten, denen Prof. Abou-Ayash im kompromittierten Kiefer eine hohe Wertigkeit beimisst.
Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets widmete sich in seinem Vortrag einer Vielzahl aktueller Aspekte der oralen Implantologie und präsentierte ein wahres Feuerwerk an Themen – von PRP über PRF und PRGF bis hin zu Hyaluronsäure, kein Bereich blieb unberührt.
Wichtig hierbei die klinischen Empfehlungen des Hamburger Hochschullehrers: PRF und PRP sind eher für die Weichteilheilung und weniger für die Knochenheilung zuträglich, die Anfertigung von Blutprodukten bedingt eine vorgängig zu absolvierende Schulung. Für den Sinuslift, so der Experte, sei grundsätzlich keine zusätzliche Optimierung durch Blutprodukte erforderlich. Im Gegensatz dazu habe sich der Einsatz von PRP und PRF in der Parodontologie sowie beim Auffüllen der Alveole nach Zahnextraktionen als äußerst vorteilhaft erwiesen, da sie als Resorptionsschutz wirken.
„30 Jahre Laser in der Implantologie“ war das Thema des DGZI-Präsidenten Dr. Georg Bach, der sich gemeinsam mit Prof. Krekeler maßgeblich für die Inauguration des 810-nm-Diodenlasers in die Zahnmedizin verantwortlich zeichnete. Es war ihm ein Anliegen, darzustellen, wo der Einsatz monochromatischen Laserlichts in der Implantologie einen Benefit für Behandler und Patienten darstellt. Erhebliche Vorteile sind in der deutlich blutungsreduzierten Laserschnittführung festzustellen, was sich vor allem bei Patienten mit hämorrhagischen Diathesen als vorteilhaft erweist. Enormes Potenzial birgt die Möglichkeit der Laserlichtdekontamination keimbesiedelter Oberflächen, wie diese z. B. bei Manifestation einer Periimplantitis typisch sind. Die Laser-Dekontamination ist somit als Domäne der Anwendung von Laserlicht in der Mundhöhle zu werten.
Session 3: Alles rund um Weichteile und neuen Techniken
Zum Kongressausklang nochmals ein echter Höhepunkt! Drei renommierte Referenten beleuchteten aktuelle Techniken und deren vielfältige Facetten und verdeutlichten, welch außergewöhnlicher Entwicklungsstand mittlerweile in den jeweiligen Bereichen erreicht wurde.
„Weichgewewebsmanagement am Implantat – Ästhetik oder funktioneller Langzeiterfolg?“, dies war die Frage, die Dr. Jochen Tunkel stellte und im Rahmen seiner Ausführungen auch beantwortete. Dr. Tunkel war dem Auditorium durch seinen Social-Media-Vortrag beim Vorjahreskongress in allerbester Erinnerung und widmete seine Ausführungen dieses Jahr seinem Lieblingsthema und seiner Paradedisziplin, dem Weichteilmanagement. „Vermeiden ist die beste Prophylaxe!“, dies war das überraschende Eingangsstatement Dr. Tunkels, der dies nicht als unbedingtes Befürworten der Flapless-Technik verstanden haben wollte, sondern vielmehr als Forderung für eine unbedingte krestale Schnittführung. Als Entlastung hat sich im Seitenzahngebiet die linguale Mobilisation als günstig erwiesen, diese ermöglicht eine Reduktion der bukkalen Entlastung unter Reduktion der Gefahr einer Lingualis-Läsion (Kasanijan-Technik). Um Misserfolgen vorzubeugen, empfiehlt Dr. Tunkel, den definitiven Zahnersatz frühestens nach drei, besser jedoch erst nach sechs Monaten einzusetzen, da dies entscheidend zur Langzeitstabilität beiträgt. Ein Langzeitprovisorium kann jedoch bereits zuvor eingegliedert werden.
Dem Kongressthema wurde in besonderem Maße durch den Vortrag von Dr. Dr. Diana Heimes Rechnung getragen, die sich mit der Frage „Von der Universallösung zur personalisierten Zahnmedizin – Wie individuell ist die Augmentationschirurgie heute?“ auseinandersetzte. Die Mainzer Kieferchirurgin präsentierte, ausgehend von der Defektklassifikation nach Terheyden, ausgezeichnete dokumentierte Fallbeispiele und betonte gleich zu Beginn ihrer Ausführungen, dass der Erfolg von Augmentationsmaßnahmen nicht vom Ausgangsbefund und lokalen Faktoren – letztendlich auch vom Patienten selbst – abhängig ist. „Wir müssen individueller werden!“, so Dr. Heimes. Eine Socket Preservation kann die Resorption wesentlich geringer ausfallen lassen, ohne jedoch die Knochenqualität zu verbessern – so die aktuelle Datenlage, die Kollegin Dr. Heimes präsentierte. Auf alle weiteren Faktoren wie Augmentation, Insertion, Langzeiterfolg, Etablierung einer Periimplantitis hat die Socket Preservation keinen verbessernden Einfluss. Maximal drei bis vier Millimeter Knochengewinn lassen sich durch GBR-Maßnahmen erreichen. Synthetische Materialien schneiden hier wesentlich schlechter ab als Materialien tierischen Ursprungs. Wer über diesen kritischen Wert hinaus will, muss auf Blöcke zurückgreifen. Bis auf eine geringfügig höhere Komplikationsrate haben autologe und allogene Blöcke insgesamt gleich gut abgeschnitten.
Priv.-Doz. Dr. Dr. Stefan Röhling, Referent für Organisation der DGZI, verdanken wir eine Vielzahl von Studien zu Keramikimplantaten. Ihm und seiner Arbeitsgruppe sind darüber hinaus wesentliche Teile der derzeit verfügbaren Evidenz über keramische Implantate zu verdanken. Dieses Jahr sprach der Münchener Implantologe über ein anderes Thema – „Dynamische navigierte Implantation. Der neue Standard?“. Aus seinem breiten Wissensschatz exzerpierte Dr. Röhling die wesentlichsten Erkenntnisse und konnte die Bewährtheit dieser neuen Insertionsform nachhaltig belegen.
„Ich hatte bisher zwei Projekte wissenschaftlich begleiten dürfen, die dann letztendlich zur Marktreife geführt wurden: Das waren zum einen die ein- und zweiteiligen Keramikimplantate und zum anderen die dynamische navigierte Implantation!“, so Dr. Röhling. Planungsfehler mit für Patienten gravierenden Folgen können mithilfe der dynamischen Navigation ebenso verhindert werden wie eine Fehlposition von Implantationen. Gerade für weniger bzw. unerfahrene Kolleginnen und Kollegen kann die navigierte Insertion sehr hilfreich sein. Gegenüber etablierten statischen Systemen haben aktuelle dynamische Verfahren den Vorteil, dass auf eine Insertionsschiene verzichtet werden kann und diese echtzeitorientiert ist. Dennoch ist die wissenschaftliche Akzeptanz momentan noch eingeschränkt. Die momentan verfügbare Evidenz weist den dynamischen Systemen deutliche Vorteile gegenüber den statischen zu. Mit technischen Weiterentwicklungen wurden die Kameras der dynamischen Systeme wesentlich kleiner und die Systeme an sich wesentlich praxistauglicher. Im letzten Teil seines Beitrags zum wissenschaftlichen Programm stellte Dr. Röhling das Ergebnis der Entwicklung seiner Arbeitsgruppe vor: Ein im Volumen deutlich reduzierter optischer Marker in Verbindung mit einer kleinen auf dem Handstück montierten Kamera führte zu der miniaturisierten dynamischen Navigation. Dieses System wurde an den zahnmedizinischen Workflow angepasst. Das hierbei entstandene DENACAN-System wurde von Röhling abschließend vorgestellt. DENACAN wurde weiterentwickelt und wird kommendes Jahr als FALCON-System von einem namhaften eidgenössischen Implantathersteller auf den Markt gebracht werden.
Ein kurzes Fazit
Auch beim 53. Jahreskongress der DGZI in Düsseldorf konnten die Kongressteilnehmenden in der Tat ein herausragendes und innovatives Fortbildungsereignis erleben. Aber nicht nur das:
Aus verschiedenen Blickwinkeln von Wissenschaft, Praxis, Standespolitik sowie Industrie wurde eine attraktive Ebene der Interaktion erreicht. Mit dem Versuch, der dringenden Frage nachzugehen, wie die Implantologie in fünf oder vielleicht zehn Jahren aussehen wird und wie dann die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sein werden, wurde seitens der DGZI Neuland beschritten, und gleichzeitig standen überaus namhafte Referentinnen und Referenten der deutschsprachigen zahnärztlichen Implantologie auf der Bühne. „Düsseldorf und das Rheinland sind stets ein gutes Pflaster für die DGZI“, so DGZI-Präsident Dr. Georg Bach.
Als Fazit des diesjährigen Jahreskongresses lässt sich festhalten, dass die implantologische Praxis der Zukunft nicht nur von wissenschaftlichen und technologischen Aspekten geprägt sein wird, sondern vor allem von strategischen Fragen und deren fundierter Beantwortung. Die DGZI wird auch in Zukunft aktiv an diesen Themen und Ansprüchen weiterarbeiten und so die Bedeutung sowie die Anziehungskraft der Fachgesellschaft in den kommenden Jahren weiterhin unter Beweis stellen. Im nächsten Jahr wird Hamburg im hohen Norden der Austragungsort sein. „Wir freuen uns sehr auf die Hansestadt!“, so der DGZI-Vorstand zum Abschluss des Kongresses.
Kontakt
Dr. Georg Bach
Fachzahnarzt für Oralchirurgie
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