43. Internationaler Jahreskongress der DGZI in Berlin – Deutsche Gesellschaft für Implantologie hat einen neuen Präsidenten
Mit Professor Dr. Heiner Weber wurde in Berlin der Nachfolger des scheidenden Präsidenten Professor Dr. Dr. Frank Palm mit einem überwältigenden Wahlergebnis gewählt, und somit steht nun ein Urgestein der Deutschen Implantatologie an der Spitze der ältesten implantologischen Fachgesellschaft Europas.
Praxisorientierte Implantologie, dies war zudem nicht nur das Thema des 43. Jahreskongresses der DGZI in diesem Jahr, vielmehr ist es ein Credo, dem sich die DGZI seit ihrer Gründung im Jahre 1970 verschrieben hat. Besonders verdeutlicht werden konnte dies im Rahmen der Pressekonferenz am Freitagmittag, als Vorstandsmitglieder der DGZI sich den Fragen der zahlreich erschienenen Journalistinnen und Journalisten stellten und das Konzept der DGZI in vier Impulsreferaten erläuterten. Wie ein roter Faden zog sich das Motto auch durch den zweitägigen Kongress, an dessen Ende die DGZI-Macher befriedigt feststellen konnten, dass die DGZI nun personell und als Fachgesellschaft an sich gut aufgestellt und für die Zukunft gewappnet ist.
Ich bin stolz und dankbar dieser Fachgesellschaft vorzustehen!“, mit diesem sympathischen Begrüßungswort wandte sich DGZI-Präsident Professor Dr. Heiner Weber an die über 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 43. Jahrestagung aus 18 Nationen, darunter auch Gruppen befreundeter Fachgesellschaften aus Japan, den USA und Arabien.
DGZI-Vizepräsident und Wissenschaftsleiter Dr. Roland Hille konnte nicht ohne Stolz berichten, dass über vierzig Referenten gewonnen werden konnten, jeder Beitrag zum wissenschaftlichen Programm wurde neu für die DGZI-Jahrestagung erstellt.
Erfolgreiche und bewährte Implantatkonzepte aus der Praxis
Chairman Roland Hille wies als Leiter der ersten Kongress-Session darauf hin, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen „über Erfolge berichten“ und „Erfolge haben“ geben kann. Ziel des ersten Vortragsblocks war es denn, tatsächlich bewährte Implantatkonzepte darzustellen, nicht unbedingt der übliche 99 Prozent Erfolg“, wie es Hille formulierte, „sondern die Realität“.
Mit Dr. Bernhard Drüke, Dr. Matthias Stamm, Dr. Thomas Hanser und Dr. Sebastian Becher schritten Referenten zum Mikrofon, die einerseits zu den gefragtesten Rednern gehören, welche gleichzeitig jedoch orale Implantologie in der täglichen Praxis leben.
„Sofortimplantation mit Sofortversorgung in der ästhetischen Zone“, dies das Thema des Münsteraner Implantologen Drüke, der neben den Vorteilen dieses Verfahrens auch darauf hinwies, dass eine etwas schlechtere Prognose als beim konventionellen Vorgehen zu verzeichnen ist. Dies wird jedoch durch die deutlich erhöhte Prognose, ein ästhetisch anspruchsvolles Ergebnis mit Sofortimplantation und Sofortbelastung und eine gute Knochenstabilität mehr als aufgewogen. Voraussetzungen sind das Vorhandensein einer ausreichend dimensionierten bukkalen Knochenlamelle, ein guter Zahnfleischbiotyp und, so Drüke, am Wichtigsten, eine orale Positionierung des Implantates. Große Bedeutung weist der Münsteraner Oralchirurg einer möglichst hohen Passgenauigkeit der provisorischen Versorgung zu. Hervorragend dokumentierte Fallbeispiele rundeten die Ausführungen Drükes ab.
Dr. Matthias Stamm nahm sich ein „heißes“ Thema vor, indem er über das Konzept „One Abutment – One Time“ berichtete. Der frühere Oberarzt der Düsseldorfer Klinik unter Professor Becker ist seit geraumer Zeit in niedergelassener Praxis tätig und stellte fest, dass ein häufiger Abutmentwechsel ein gewisses Risiko für vermehrten Knochenabbau birgt. So wäre ein möglichst früh zu inserierendes Abutment, das dann verbleibt, doch vorteilhaft wäre. Auch wenn es mehrere Versionen des One-Abutment-One-Time (OAOT) gibt (direkt bei der Implantatinsertion, später bei der Freilegung oder einem Folgetermin); so sieht Stamm die frühestmögliche Insertion eines frühestmöglich geplanten Abutments mit anschließendem dauerhaften Verweilen als beste Form der Periimplantitisprophylaxe, da wir uns „ab jetzt nicht mehr auf Knochenniveau, sondern immer auf Gingivaniveau befinden, so Stamm. Zudem sei erwähnenswert, dass dieses OAOT-Konzept auch für den Patienten sehr angenehm ist und eine höchst effiziente Zeit-Kosten-Nutzen-Relation aufweise.
„Weichgewebsmanagment im Rahmen vertikaler Kieferkammaugmentationen“ – Dr. Thomas Hanser aus der renommierten Klinik Schloss Schellenstein stellte ein außergewöhnliches Augmentationskonzept vor, bestehend aus dünnen Knochenscheiben, welche mit Schrauben auf Abstand zum Knochen fixiert und die Spalten anschließend mit partikulärem Knochen aufgefüllt werden. Da in der Regel gemischte Hart- und Weichgewebsdefizite vorliegen, sollte stets auch neben der Augmentation ein Augenmerk auf die Weichgewebsgestaltung gelegt werden. Hanser stellte die Verwirklichung seines Konzeptes für den Oberkiefer, das Seitenzahngebiet des Unterkiefers (als Onlay-Bone-Graft) und in Kombination mit der Sinuslift-OP (als Tunneltechnik mit ausschließlich vertikaler Schnittführung) vor. Entscheidende Vorteile des Verfahrens sind die Revitalisierung des Augmentats und eine hohe Stabilität der periimplantären Weichteile.
Von „einem implantologischen Brandherd zum nächsten“ schritt Dr. Sebastian Becher, der über „Therapiemöglichkeiten periimplantärer Infektionen“ sprach. Becher ist als Spezialist für Parodontologie in eigener Praxis in Düsseldorf tätig und beschränkte sich bei seinem Beitrag auf biologische Komplikationen der Periimplantitis. Bei allen scheinbaren Gemeinsamkeiten zwischen Parodontitis und Periimplantitis weisen beide oralen Erkrankungsformen doch erhebliche Unterschiede auf, so Becher. Diese Unterschiede sind histologischer und morphologischer Natur, was auch dramatische Auswirkungen auf das Progredienzverhalten der Periimplantitis hat. Becher legte sehr viel Wert auf die umfangreiche Darstellung der Manifestationen der Periimplantitis und deren Risikofaktoren, die therapeutischen Möglichkeiten indes kamen etwas zu kurz. Ziel sei die Desintegration des Biofilms und die Dekontamination der Implantatoberfläche. Hier ist, so Becher, zwischen nicht chirurgischer (Kürettage mit Titaninstrumenten/PT/Laser, allerdings kaum Langzeitdaten) und chirurgischer Therapie zu unterscheiden (der Defektkonfiguration folgend entweder rekonstruktiv mit Knochenaufbau, oder Rekonstruktion mit Knochen- und Weichgewebsaufbau → ca. 60 Prozent Erfolg), oder als Resektion. Periimplantäre Entzündungen als Folgeerkrankungen (Zementreste, Abformungsreste, zu geringer interimplantärer Abstand) bildeten den letzten Teil der Ausführungen Bechers.
Am frühen Samstagmorgen war es Dr. Shahram Ghanaati vorbehalten, den ersten Beitrag des zweiten Kongresstages beizusteuern. Der in der Frankfurter Kieferchirurgie tätige Referent sprach über Knochenregeneration mit einem neuartigen, pastösen Material auf der Basis von ß-TCP und Hyaluronsäure. Ghanaati teilte sein Rerat in drei Teile, einen in-vitro, einen tierexperimentellen und einen, in dem er über klinische Ergebnisse berichtete. Das neue Material, das Ghanaati vorstellte, ist eine mit der Firma Curasan entwickelte Cerasorb-Paste, bestehend aus Hyaluronsäure und aus reinem ß-TCP-Pulver. Bei alleiniger Verwendung des reinen TCP-Pulvers war ein massives Einwandern von Weichteilgeweben beobachtet worden, die triphasige Kombination aus Hyaluronsäure und TCP-Pulver ergab eine stabiles Gerüst, welches den Zell- und Gewebeeinwuchs massiv verzögert, bei gleichzeitig erhöhter Vaskularisierungsrate. Im Femurkondylusmodell konnte nach ca. 3 Monaten die Umwandlung der organischen Materialien in Knochen nachgewiesen werden, die mit ca. 6 Monaten abgeschlossen ist. Klinische Studien laufen momentan an der Universität Frankfurt am Main. Ghanaati betont die einfache Applikation aufgrund der Injizierbarkeit, die gute Anpassung an verschiedene Defektgrößen und eine Reduktion der Infektionsgefahr durch die Applikationsform.
Einem üblen Effekt der Implantologie widmete Dr. Martin Bonsmann seinen Beitrag zum wissenschaftlichen Programm des 43. DGZI-Jahreskongresses. Der Düsseldorfer Implantologe sprach über Fehlpositionierung von Implantaten, ging im zweiten Teil seines Vortrages aber auch auf Konsequenzen ein und gab letztendlich Tipps zur Fehlervermeidung. Der Düsseldorfer Kieferchirurg, der im Vorfeld seiner Studien übrigens auch eine zahntechnische Ausbildung absolviert hatte, betonte: „Ich zeige Ihnen heute nur Katastrophen!“ Mit Vorgaben, die er aus der zahnprothetischen Disziplin ableitete, definierte Bonsmann die Voraussetzungen, die zur Erzielung eines ästhetisch anspruchsvollen Ergebnisses erforderlich sind. Mit zahlreichen Fallbeispielen unterstrich Bonsmann seine Ausführungen und stellte abschließend fest: „Die Prothetik steht immer im Vordergrund.“
„Gesinterte Implantate mit pöröser Oberfläche – das kurze Implantat mit der längsten Historie“, der implantologische Insider weiß bereits beim Titel, wer hier ans Mikrofon schritt, und – richtig! Professor Dr. Douglas Deporter konnte in seinen Ausführungen die an seiner Torontoer Universität entwickelten kurzen (kürzer als 8 mm), gesinerten Implantate vorstellen und deren Indikationen vorstellen. „Ich brauche keine Implantate, die länger als 7 Millimeter sind!“ – mit dieser für den Großteil des Auditoriums doch ein wenig überraschenden Aussage setzte der kanadische Implantologe ein Feuerwerk von Fallbeispielen in Gang, wo die präsentierten Implantate in der Regel lediglich 4 bis 5 Millimeter Länge aufwiesen. Höhere Implantatlängen, so Deporter, die er bei 8/10 Millimetern definiert, hätten in den ersten Studien eine doppelt so hohe Versagensquote aufgewiesen, sodass die maximale Länge nun bei 7 Millimetern, gerne kürzer, anzusiedeln sei. Drastischen Mißachtungen der Implantatlängen-Kronenlängen-Verhältnisse setzte Deporter Beobachtungszeiten von bis zu 12 Jahren entgegen und betonte die hohe Wertigkeit der gesinterten Implantatoberfläche, deren Ausführung der Orthopädie entlehnt ist, sowie die der „Press-Fit“-Insertionstechnik. Ein ausführlicher Ausflug in die Wissenschaft, in der der Referent ausgesuchte Studien zu seinem Themenbereich vorstellte, stellten den Schlusspunkt der Ausführungen Deporters dar. Ein hohes Maß chirurgischer Erfahrung, ein gutes Knochenangebot, eine adäquate operative Vorgehensweise, eine nur mäßige Rauigkeit der Implantate, die Beschränkung auf den posterioren Anteil des Unterkiefers und die Verblockung bei „längeren“ Implantaten bei stetiger Wahl des maximal möglichen Durchmessers – dies sind die Erfolgsrezepte des kanadischen Implantologen.
„Besser eins als keins: das mittige Einzelimplantat im zahnlosen Unterkiefer“ – Professor Matthias Kern hat in der Tat Neuland beschritten. Mit seinem jüngst präsentierten Konzept des Prothesenhalts im Unterkiefer mit nur einem, mittig inserierten (Regio 41, 31) Implantat hat Kern für Furore in der implantologischen Welt, aber auch für erhebliche Aufmerksamkeit in der Wissenschaft geführt. Gerechter Lohn hierfür waren erhebliche Fördergelder für die Entwicklung und Dokumentation seines 1-Implantat-Konzeptes. Kern betonte zu Beginn seiner Ausführungen, dass die Aussage „lieber vier als zwei“ im zahnlosen Unterkiefer zweifellos zutreffe, zumindest was langzeitprognostische Daten betreffe. In der Tat sei eine Investition in dieser Höhe jedoch für die meisten Patienten nicht leistbar, und so sei die Idee des italienischen Implantologen Gordiolo aus dem Jahre 1993 aufgegriffen worden. Die Kieler Klinik verfügt nun bereits über 6 Jahre Erfahrung mit zahnlosen Patienten, denen ein mittiges Implantat mit 11mm Länge, welches mit einem Kugelkopfanker versorgt und dann in die bestehende Prothese ein entsprechendes Gegenstück integriert wird, inseriert wurde. Bezüglich der Implantate waren keine Komplikationen zu verzeichnen, es wurden hingegen prothetische Probleme verzeichnet, wie z.B. Prothesenbrüche, die allerdings alle gut beherrschbar waren. „Unsere Methode, man traut es sich ja gar nicht zu sagen, funktioniert zu hundert Prozent“, so Kern.
Eine richtige Größe in der zahnmedizinischen, in der kieferchirurgischen, aber auch in der implantologischen Welt ist zweifellos Professor Dr. Dr. Wilfried Wagner. Der Chef der Mainzer Kieferchirurgie sprach über „Moderne Sofortkonzepte in der Implantologie“. Wagner überraschte zu Beginn seiner Ausführungen –„Ich rede über nichts Neues, mich begleitetet die Sofortbelastung seit über 35 Jahren!“ Er wies allerdings darauf hin, dass es sich bei seinem Thema nicht um ein einziges, sondern um verschiedene Versorgungskonzepte handelt, die ihren Beginn in den Arbeiten von Schulthe und Ledermann fanden. Wagner beschränkte sich auf die transalveoläre Sofortimplantation und -belastung. Seine ultimative Forderung ist der Erhalt des funktionellen Verlaufs der Faserstruktur und der keratinisierten Gingiva. Dass bei Sortbelastungskonzepten auch noch eine reduzierte Behandlungszeit und der OP-Zeiten und -Termine beinhaltet ist, bereichert die Liste der Vorteile dieser Verfahren. Credo des Referenten: Der Schlüssel zum Erfolg ist die Stabilität der periimplantären Mukosa.
Den letzten Teil des Main-Podiums bestritten drei sehr erfahrene und gefragte Referenten:
Dr. Andreas Hensche referierte über „Vorhersagbare Ergebnisse durch neue Implantatoberflächen und -materialien“, Professor Dr. Wolf-Dieter Grimm faszinierte mit seinen Ausführungen zu „Einzeitig stammzellgestützte vertikale Augmentationen mit allogenen ringförmigen Knochentransplantaten“, und der Past-Präsident der DGZI Privatdozent Dr. Friedhelm Heinemann, entführte in die Welt der Alterszahnheilkunde, indem er über „Durchmesserreduzierte Implantate – Klinische Indikationen und Grenzen“ sprach. Heinemann konnte hier über eine erhebliche Ausweitung der Versorgungsoptionen für ältere, ggf. multimorbide Patienten berichten; wird doch durch die geringen Dimensionen der Implantate das Maß der Implantate erheblich verringert.
Prothetik-Podium
Mit Zahntechnikermeister Christian Müller zog vor zwei Jahren zum ersten Mal ein Nichtzahnarzt in das Vorstandsgremium der ältesten implantologischen Fachgesellschaft Europas ein. Dies entsprach dem ausdrücklichen Wunsch der weiteren Vorstandsmitglieder und dem der Hauptversammlung der DGZI im vergangenen Jahr, wird doch der „Schnittstelle Zahntechnik-Zahnmedizin“ seitens unserer Fachgesellschaft höchste Priorität eingeräumt. Ein weiteres, überaus erfolgreiches Kind dieser erfreulichen Entwicklung ist das Curriculum Implantatprothetik, welches die DGZI in Zusammenarbeit mit der Essener Firma Fundamental anbietet. Über 250 Zahntechniker absolvierten in den vergangen Jahren dieses Curriculum und erwarben die entsprechende Qualifikation. Neuestes Kind dieser erfogreichen Zusammenarbeit ist der „Spezialist für Implantatprothetik“, der erstmals seit diesem Jahr erworben werden kann. Unter anderem obliegt es ZTM Christian Müller ein Spezialpodium „Implantatprothetik“ zu organisieren und dieses zusammen mit dem Autor dieses Berichtes als dessen Chairman zu leiten.
Zahntechnikermeister Volker Weber war es indes vorbehalten, auch einen Beitrag zu diesem Prothetik-Podium beizusteuern. „Verschraubte Brückenkonstruktionen – Ist das zeitgemäß?“, dies das Thema aus der Aachener Arbeitsgruppe des unvergessenen Professors Spiekermann stammenden Zahntechnikermeisters. Summarisch gesehen hat das Zementieren klare Vorteile gegenüber dem Verschauben, aber, so Weber, selbst die geringe Zahl der Nachteile wiegt aufgrund derer Schwere den scheinbaren Vorteilsvorsprung auf. Ob im Sulkus verbliebenes Abformmaterial bzw. Zementreste, ob Kompletterneuerung, wegen Abutment-Frakturen, die Zahl drastischer Komplikationen bei Zementierungen ist lang. Allerdings bedingt der Wunsch nach Verschraubung eine gute Platzierung der Implantante. Nach gründlicher Wertung und umfangreichen Vergleichen zwischen beiden Möglichkeiten ein klares Credo Webers: „Gerade mit den heutigen Möglichkeiten ist die Verschraubung auch, oder gerade heute noch aktuell!“
„All-on-Four“, nicht nur ein Konzept, eigentlich eine „Philosophie“, so das Einführungswort von Dr. Bernd Quantius, M.Sc. Fortschritt ist der Weg zum Primitiven, über das Komplizierte hin zum Einfachen, mit diesem Wernher-von-Braun-Zitat erläuterte Quantius seinen Weg hin zum „All-on-Four“-Konzept. Vor allem in der Schnelligkeit, mit der der Patient mit festsitzendem Zahnersatz versorgt werden kann, sieht Quantius einen ganz erheblichen Nutzen für den Patienten. Zudem sind die Implantat-Überlebensraten sehr hoch. Limitationen sind erhaltungswürdige (Rest-)Zähne und eine hohe Lachlinie.
„Die Batterie im Mund?“, in die Welt der Werkstoffkunde entführte Priv.-Doz. Dr. Roland Strietzel, der über Korrosion und Herstellungsmethoden von Abutments sprach. In der Implantologie kommt zwar bei den Implantaten selbst nahezu nur ein Material (Titan) zur Anwendung, dann jedoch, bei Abutments und Suprastrukturen, kommt es zu einer Vielzahl verwendeter Materialien. Diese müssen vor Korrosion geschützt werden, bei NEM-Legierungen z.B. durch Passivierungsschichten. Bei Reaktionen mit Sauerstoff bzw. mit Anionen kann die Passivschicht sich auflösen und anschließend kann sich das Implantat selbst auflösen/korrodieren. Vor allem Fluoride, die zur Vergrauung von Titan führen können, stellen sich als „Achillesferse“ von Titanimplantaten heraus. Zwei unterschiedlich leitende Materialien (Titan ist hier eines der unedelsten“), eine elektrische Leitung und eine Elektrolytlösung – fertig ist das (intraorale) galvanische Element! Um dies zu vermeiden, dies das Fazit Strietzels, ist die Verwendung korrosionsgeschützter Legierungen unbedingt erforderlich.
„Der Locator – Problemlöser oder Problem?“, Dr. Hans Jürgen Nonnweiler widmete seine Ausführungen einem Abutment und dessen Möglichkeiten, das vor 6 Jahren bei seiner Präsentation kometenhaft in die Zahnheilkunde und Zahntechnik einschlug. Im direkten Vergleich zwischen Kugelanker/Locator/Steg/Teleskop hob Nonnweiler hervor, dass der Locator in der Lage ist, Höhendifferenzen und Abweichungen von Implantatachsen in gewissen Maßen auszugleichen. Probleme treten mit dem Retentionselement auf, ebenso durch Food impaction und Verschleiß. Auch bei stark divergierenden Implantaten (bis 40 Grad Winkeldivergenz) ist zwar ein Locatoreinsatz möglich, allerdings auf Kosten eines massiv erhöhten Verschleißes. Hier wäre der neue SFI-Anker die bessere Wahl.
Mit einem „Troubleshooting-Update“ warteten ZTM Christian Müller und der Autor dieses Beitrages auf, die an ihre Ausführungen aus dem vergangenen Jahreskongress anzuknüpfen wussten und weitere, neue Fälle implantatprothetischen Troubleshootings präsentierten. Tröstliche Botschaft der beiden Freiburger: Auch bei Fehlentscheidungen/Komplikationen in Planung/Umsetzung gibt es dennoch ein Vielzahl von Möglichkeiten, doch noch ein gutes Ergebnis für Patient, Zahnarzt und Zahntechniker zugleich zu erzielen, Gott sei Dank sind nur wenige Fälle als „gänzlich hoffnungslos“ einzustufen.
Spezialpodium „Das All-on-Four-Konzept“ – praxistauglich und wissenschaftlich basiert?“
Die Spezialpodien der DGZI sind nicht nur fester Bestandteil des wissenschaftlichen Programms, sondern werden immer mehr zu einem der Höhepunkte dieser Fortbildungsveranstaltungen.
Unter der Moderation des Fortbildungsreferenten der DGZI diskutierten Professor Dr. Christoph Bourauel (Bonn), Prof. Dr. Dr. Winfried Wagner (Mainz) und Last but not least der Inaugurator des „All-on-Four“ Konzeptes Paulo Malo, DS, PhD/PT. Als quasi Einstieg hatte der Bonner Grundlagenforscher Bourauel ein Referat über die biomechanische Komponente des AOF-Konzeptes gehalten, mit „Fakten und Fiktionen“, wie er es nannte. Mithilfe von Finite-Elemente-Untersuchungen beschäftigte sich der Bonner Grundlagenforscher mit Spannungs- und Dehnungsphänomenen im Knochen – simuliert für das All-on-Four-Konzept. Simuliert wurde der Zustand nach Osseointegration und bei Sofortbelastung in verschiedenen Ausführungen. Auch wenn letztendlich die Ergebnisse der bisher durchgeführten Studien eine grundsätzliche Eignung für beide Belastungszeitpunkte ergaben, so weisen diese trotzdem einen klaren Vorteil für die Belastung nach erfolgter Osseointegration („abgeschlossene Einheilung“) auf. Diese ist für Bourauel denn auch klar Methode der Wahl!
Im Anschluss daran stellte der Inaugurator der AOF-Konzeptes, der aus Lissabon angereiste Dr. Paulo Malo mit Verve und Herzblut das von ihm präferierte Konzept vor. Basierend auf seinen Erfahrungen als Biologe und Ingenieur und später dann als Zahnarzt wies Malo darauf hin, dass stets die Wissenschaft im Mittelpunkt stehen müsse, diese sei „Alles“. Ideen früherer Behandler aufgreifend und mit seinen eigenen Erfahrungen in Einklang bringend sei so das Malo-Clinic-Protocol entstanden, bestehend aus Malo-Diagnose/dem All-on-Four-Konzept, der Malo Bridge und den Zygoma-Implantaten. Ganz wesentliche Vorteile sieht der Lissabonner Implantatologe bei seinem All-on-Four-Konzept weniger in der Verringerung der Zahl zu inserierender Implantate, als in der Möglichkeit der Vermeidung von (teuren und invasiven) Augmentationen. Seit der Einführung seines Konzeptes im Jahre 1990, welches grundsätzlich mit jedem geeigneten Implantat durchgeführt werden kann, und der Erweiterung des Indikationsspektrums vom Unterkiefer auch auf den zahnlosen Oberkiefer, haben sich über vierzig Malo-Kliniken seiner Philosophie weltweit angeschlossen. Allein in seiner eigenen Lissabonner Klinik beschäftigt Malo auf über 50.000 m² über fünfhundert Menschen. „All-on-Four“ wird bei uns jeden Tag über 20 Mal gemacht“, so Malo, der für das von ihm entwickelte Konzept nahezu 100 Prozent Erfolg und nahezu keine Limitationen sieht.
Wer angesichts dieser Aussagen auf ein überaus kontrovers und emotional geführtes Streitgespräch zwischen Malo, Wagner und Bourauel unter der Moderation des Autors dieser Zeilen gesetzt hätte, zeigte sich nach der in der Tat sehr interessanten, facettenreichen, aber insgesamt harmonischen Diskussion enttäuscht. Dies lag vor allem an Paulo Malo selbst, der bei den entscheidenden Kritikpunkten an seinem System diese – vorbehaltlos einräumte: Natürlich sei es besser, die Osseointegration der Implantate abzuwarten, bevor diese belastet werden, aber es klappt halt in der Regel auch mit der für den Patienten attraktiveren Sofortbelastung. Ebenso sei eine Resektion von intaktem Kieferknochen zur Anpassung des labial sichtbaren Prothesenrandes an die Lachlinie des Patienten zu vermeiden, aber wenn es technisch so vorgegeben sei, dann verlange das Konzept eben dieses Opfer. Insgesamt jedoch für das Auditorium eine kompakte und inhaltsreiche Aufarbeitung dieses umfangreichen Konzeptes, welches umfassend hinterfragt und gewertet wurde!
Internationales Podium
Ein bewährter, ein fester und ein unentbehrlicher Bestandteil eines DGZI-Jahreskongresses ist zweifellos das „Internationale Podium“. Auch in diesem Jahr bestückten namhafte Referenten befreundeter Fachgesellschaften das gut besuchte Internationale Podium des DGZI-Jahreskongresses. Die vornehmlich aus dem arabischen und asiatischen Raum kommenden Referenten widmeten sich hochaktuellen, aber auch hochbrisanten, kontrovers diskutierten Fragen der Implantologie: Ob Lippenplastik, 3-D-Diagnostik und -planung, ob Sofortbelastung und Risikopatienten – das Internationale Podium bot erneut ein Füllhorn guter Beiträge und Erkenntnisgewinne. Beispielhaft seien hier die Ausführungen der Deutschen Referentin Christine Zachriat genannt, die über „Superstructures – cemented or screw retained?“ sprach und in ihrer sehr sorgfältig geführten Literaturrecherche ein klares Bekanntnis zu kleineren, zementierten Einheiten gab und großen verblockten Versorgungen eine klare Absage erteilte!
Corporate Podium
Eine ähnlich lieb gewonnene Tradition wie das Internationale Podium ist das des Corporate Podiums, welches vornehmlich DGZI-Mitgliedern und niedergelassenen Kollegen die Möglichkeit bietet über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zu berichten. Ergänzt wird dieses Podium auch durch Beiträge aus der Hochschule, an dieser Stelle sei als Beispiel das von Herrn Professor E. Machtei genannt, der über einen „Neuen Ansatz in der nichtchirurgischen Periimplantitistherapie“ sprach. Insgesamt widmeten die acht Referenten ihre Beiträge dem Motto des 43. Internationalen Jahreskongresses der DGZI – Nachhaltigkeit und Langzeiterfolg im Sinne einer praxisorientierten Implantologie stand im Vordergrund der Referate u.a. über die Themenbereiche Durchmesserreduzierte Implantate, Zirkonoxidimplantate, Wundmanagement, bis hin zur Wasserhygiene.
„Habemus papam novum“ – Mitgliederversammlung der DGZI im Rahmen des Jahreskongresses
Wie im Vorjahr wurde die Mitgliederversammlung der DGZI in den Jahreskongress integriert. Gerne nahmen zahlreiche DGZI-Miglieder, die zugleich Kongressteilnehmer waren, diese Option wahr und nahmen an der MGV teil und befürworteten die Neuterminierung der MGV auch in der Diskussion. Naturgemäß auf das größte Interessse stieß die Neuwahl des Präsidenten der DGZI. Nach einer sehr erfolgreichen Amtsperiode stellte der Konstanzer Kieferchirurg Professor Dr, Dr. Frank Palm sein Amt zur Verfügung. Baden-Württemberg scheint ein gutes Pflaster für DGZI-Präsidenten zu sein, denn zum Nachfolger Frank Palms wählten die DGZI-Mitglieder ein Urgestein der Deutschen Implantologie, Professor Dr. Heiner Weber, ebenso im Südweststaat wohnhaft. Der Tübinger Hochschullehrer erhielt einen überwältigenden Vertrauensbeweis der Mitgliederversammlung und wird nun der ältesten Fachgesellschaft Europas in den nächsten Jahren vorstehen. Neben den Berichten des Vorstandes, die allesamt aufzeigten, dass die DGZI nachhaltig und erfolgreich mit den Mitteln ihrer Mitglieder wirtschaftet und von der Organisation und Ausrichtung sich für zukünftige Aufgaben gut gewappnet sieht, stand auch die Neuwahl eines Vorstandsmitgliedes an. Auch wenn eine Mitgliederversammlung sich naturgemäß eher vereinstypischen Strukturen und Abläufen widmen muss, so wurde doch auch in deren Rahmen das Ansinnen der ältesten europäischen Fachgesellschaft überaus deutlich: Praxisorientierung und Nachhaltigkeit in der Implantologie. So kann der Tenor der Mitgliederversammlung quasi auch als Resümee des gesamten 43. Internationalen Jahreskongresses der DGZI gelten – die Fachgesellschaft ist gut aufgestellt, stellt sich den aktuellen und künftigen Aufgaben der Implantologie und übernimmt Verantwortung in der Ausbildung der Kollegen (Fokus: niedergelassene Praxis) und für Patienten (Fokus: Information).